Samstag, 6. November 2010

Die endlose Diskussion über VJ-Honorare

In der VJ-Szene wird mal wieder über die Honorare diskutiert. Nach wie vor arbeiten Videojournalisten für Dumping-Preise - gerade im Online-Bereich. Frei nach dem Motto "Wenn ich's nicht mache, macht's der nächste" wird teilweise für 50 Euro gedreht. Tagessätze um 100 Euro sind keine Seltenheit - und dann auch noch inklusive Equipment. Dass das langfristig zum finanziellen Kollaps führt, liegt auf der Hand. Aber was ist die Lösung?

VJ-Honorardumping: Wieviel ist ein Video wert? (dervj.de)

"Es gibt kaum einen Medienberuf in Deutschland, der mieser bezahlt wird, als ein Journalist mit Videokamera." Markus Hündgen ist seit einigen Monaten freier Videojournalist. Auf seinem Blog Videopunk kommt er zu dem Entschluss, dass der in der Branche gängige Tagessatz zu niedrig ist. Die liegen im Jahr 2010 teilweise unter 100 Euro - inklusive Equipment versteht sich.

Offensichtlich ist das Honorardumping bei immer mehr VJs angekommen. Vor allem im Online-Bereich. Kurze Nifs für News-Portale und Nachrichtenagenturen oder Imagefilme für mittelständische Unternehmen werden noch mit am schlechtesten bezahlt. "Bei Astramedia, einem Unternehmen, das Firmenvideos erstellt, gibt es für einen Zwei- bis Drei-Stunden-Dreh mit eigenem Equipment zwischen 150 und 170 Euro, bei Blipp tv sind es für einen Einstunden-Dreh 50 Euro. Nur wenn der VJ mehrere Drehs pro Tag absolviert, kann sich das rechnen", resümiert der Videojournalist Matthias Zuber in einem aktuellen Artikel für die Zeitschrift "der journalist" das Deutschen Journalisten Verbandes. Der empfiehlt übrigens in seiner Honorartabelle 2010 für Onlinevideos eine Beitragspauschale von 500 bis 600 Euro, alternativ pro Minute 200 Euro.

Auch die Öffentlich-Rechtlichen sparen mit VJs

Mit am besten sieht es da noch für VJs aus die für die Öffentlich-Rechtlichen arbeiten. Auch hier wissen die Programmchefs - trotz milliardenschwerer GEZ-Gebühren - längst die Vorzüge eines Videojournalisten zu nutzen: Er arbeitet billiger als das klassische EB-Team - etwa zu einem Drittel der Kosten. Doch jeder Sender hat sein eigenes System, wie die VJs bezahlt werden. Die Tagessätze beginnen bei etwa 250 Euro.

Matthias Zuber veranschlagt einen VJ-Tagessatz von 420 Euro. Hinzu kommt das Equipment (200 Euro / Tag), die Miete für den Schnittcomputer (80 Euro / Tag) sowie die Ausspielung auf Band (150 Euro).

Den Videojournalisten fehlt eine Lobby

Das Problem von zu geringen Tages- oder Stundensätzen ist und bleibt, dass es keine Orientierung gibt - vor allem bei den Quereinsteigern. Nicht nur die meisten VJs, auch die Auftraggeber schweigen sich über ihre Bezahlung aus. Andere Branchen wie zum Beispiel die Fotografen sind da weiter.

Es gilt, Antworten zu finden. Zum Beispiel auf die Frage: Ist der Unterschied zwischen Online- und TV-Tagessätzen noch zu rechtfertigen angesichts der zunehmenden Verschmelzung beider Medien?

Was den Videojournalisten neben einer Honorartabelle fehlt, ist eine Selbstdefinition, eine Lobby sowie verbindliche Qualitätsstandards - vielleicht sogar ganz ein neuer Verband welcher aussschließlich die Interessen der VJs vertritt. Zwar geben die Berufsverbände immer wieder Honorarempfehlungen für VJs heraus, doch viele Kollegen fragen sich: Wie realistisch ist das? Zudem muss man sich fragen: Wie viele VJs sind überhaupt im DJV, Verdi und Co. organisiert?

Es braucht also eine Initiative von den VJs selbst - nicht von den Auftraggebern die die Preise diktieren oder den Verbänden die sich in erster Linie um die klassischen Journalisten kümmern.

Umfrage

Wie hoch ist ein fairer VJ-Tagessatz?
50 - 150 Euro
150 - 300 Euro
300 - 500 Euro
über 500 Euro
Auswertung

5 Kommentare:

  1. Im Grunde würde es ja schon reichen, wenn sich ein Quereinsteiger einmal die Mühe machen würde eine Art Businessplan zu erstellen. Dann wird sicher ganz schnell klar, dass ein Tagessatz von 500 Euro inklusive Equipement das absolute Minimum ist. Alles andere geht nicht, jedenfalls nicht wen man solide rechnen kann.
    Daher wird es vermutlich so sein, dass im Geschäft nur diejenigen übrigbleiben, die sich nicht verrechnen und einen genügend langen Atem haben, um die selbstmörderischen Billiganbieter zu überstehen. Das ist schade weil sicher einige gute VJs damit Schwierigkeiten haben. Trotzdem ein Trost:, ich glaube langfristig setzt sich Qualität und solides Handwerk durch. Dazu gehört auch die solide Kalkulation!.
    Beste Grüße aus Stuttgart

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  2. Die reine Honorarhöhe ist nur einer von mehreren Faktoren in der Gleichung. So zahlen ARD-Anstalten zwar annehmbare Tagessätze, allerdings ist (zumindest in Berlin) die Konkurrenz um Jobs auch sehr groß, so dass oft nur ein Auftrag auf 8-10 durchrecherchierte Themenvorschläge kommt. Die Abnahme kann sich über mehrere Tage / Umschnitte erstrecken, je nach Laune des Redakteurs. Vergütet wird dieser Mehraufwand natürlich nicht. Ein Kunde, der mir 100 + für eine schnell weggetackerte Online-Nif bezahlt, dabei eine hohe Zahl an Ankäufen garantiert und zwar ohne zeitaufwändigen Vor-, bzw. Nachlauf, kann da sogar attraktiver sein. Letztlich sind aber alle Honorare zu niedrig, egal in welchem Bereich. Die nötigen Rücklagen für technische Neuanschaffungen zu bilden, ist derzeit nicht drin, und es steht erheblicher Investitionsbedarf vor der Tür (Stichwort: HDTV-Umstellung). So mancher Kollege wird sich überrascht die Augen reiben, wenn es in absehbarer Zeit bei seinem ARD -Stammkunden heißt: "Das Material aus deiner EX 1 /Z1 / A1 entspricht leider nicht mehr den Sendenormen."

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  3. Ich denke, dass das ganze gerede mit dem einheitlichen Tagessatz Quatsch ist.
    Es gibt hundert Faktoren die den Preis beeinflussen. Ich habe bei jedem Auftraggeber einen anderen Tagessatz, da ich völlig unterschiedlichst Material anliefere. Ich kann doch nicht für eine aktuelle Vorort Laptop überspielung von Rohmaterial (Bsp.: 2 OTOENE und 8 Schnibis) den gleichen "Tagessatz" wie für eine selbstgeschnittene 2:30 MAZ verlangen......

    Ich denke jeder VJ ist ein eigener Kleinunternehmer und hat seine eigenen Preise. Und somit ist jeder für sich selbst verantwortlich welches Honorrar er verlangt bzw. ob er für die Sender üblichen Tagessätze arbeiten kann. Keiner wird gezwungen! Und wenn einer für 90€/Tag arbeiten kann, dann bitte. Das ist der Markt. DIe Frage stellt sich dann wie lange bleibt derjenige im Markt.

    Meine Erfahrung: Konstant gute Arbeit und Vertrauen zu einander macht sich am Ende auch bezahlt.

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  4. Wenn man sich die Qualität der Beiträge ansieht dann ist hinter der Arbeit eines VJ's nicht viel dahinter.
    Kamera draufhalten, bissl scharf stellen, Ton auf Automatik und mit ein bissl Glück passt sogar die Blende wiewohl ich sehr oft mit Bedauern feststellen muss das hier oft fehlerhaft gearbeitet wird.
    In den meisten Fällen sehen diese Beiträge aus wie von einem engagierten Hobbyfilmer produziert.
    Redaktionelle Arbeit, Kamera, Ton , Schnitt alles in einer Person führt unweigerlich zu qualitativen Einbußen.
    Ich halte dieses Gewerbe für bedingt sinnvoll. Für's Internet dessen inhaltliche Seriosität ebenso in den meisten Fällen äußerst fragwürdig ist wird es wohl immer reichen.
    Für Arbeit die nach ein paar Wochen wohl jeder bewerkstelligen kann wird es nie eine hohe Entlohnung geben. Und das ist auch richtig so.

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  5. Hallo Paul,

    da ich gerade viel unterwegs bin, hier nur eine knappe Antwort. Natürlich gibt es VJs die nur im Automatikmodus drehen, aber genau so wie es schlechte Cutter, Kameramänner oder Redakteure gibt, gibt es auch schlechte VJs. Aber alle über einen Kamm zu ziehen, wird der Zunft nicht gerecht. Und ich muss dich korrigieren: Schon lange drehen VJs auch für's Fernsehen und nicht nur für das Internet, auch für ARD und ZDF - und zwar auch längere Beiträge und in sehr guter Qualität. Ein VJ hat sogar schon einen ganzen preisgekrönten Kinofilm (über den Irak-Krieg) gedreht. Wenn du dich näher mit Videojournalismus beschäftigts, wirst du sehen, dass es viele professionelle Kollegen gibt.

    Gerne schicke ich dir auch mal ein paar Links.

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